Viermal Leipzig hin und zurück

(von Birgit Stiebeling)

Erst einmal die Vorgeschichte.

Zeitpunkt: Die Wende ist noch nicht sehr lange her. Der Ort der Begebenheit ist Leipzig.


Hier leben Lothar und Ursula Gransow mit ihrer Familie. Schon zu DDR-Zeiten haben die Gransows, unter stets misstrauischen Augen der Regierenden, Minigolfanlagen in der Stadt gebaut. Nun endlich dürfen sie Träume wahr werden lassen!

Das Ehepaar ergreift die Gelegenheit beim Schopf und gründet 1990 den 1. BGC Leipzig e.V. Den ersten Minigolfverein in Ostdeutschland! Hilfreich zur Seite steht ihnen der BGC Hannover aus ihrer westdeutschen Partnerstadt. Besonders das Ehepaar Gerhard und Herma Snaga hilft in vielerlei Hinsicht. In Süddeutschland wird eine alte, verwilderte Miniaturgolfanlage gefunden und gekauft. Im Bereich des Bruno-Plache-Stadions findet sie eine neue Heimat. In mühevoller Arbeit werden die 18 Bahnen aufgepäppelt – und stehen noch heute dort.

Nun die Geschichte, die erzählt werden soll:
Irgendwann im Sommer des Jahres 1992 flattert dem BGC Bremen eine Einladung auf den Tisch. Am 3. und 4. Oktober soll in Leipzig das erste Sachsen-Pokalturnier ausgetragen werden. Ursula Schmalfuß, Karin John, Jana und ich sind sofort hellauf begeistert. Das ist mal was Neues, da müssen wir hin und unsere blau-gelben Farben vertreten!

Am Donnerstag gegen Mittag geht’s los. Wir haben uns, oder vielmehr Ursel als Fahrerin, für die Route durch den Harz entschieden. Kurz vor Seesen Stau! Lange! Sehr lange! Die Zeit rinnt dahin. Hoffentlich ist dies kein schlechtes Omen!? Es ist schon dunkel als wir beschließen, noch auf „Westseite“ für ein schnelles Abendbrot eine Pause zu machen. Gottlob!

Was nun folgt ist eine Irrfahrt über ostdeutsche Landstraßen in miserablem Zustand und (fast) ohne Beschilderung. Fuchs und Hase sagen sich Gute Nacht, wenn sie sich denn überhaupt finden! Große Frage: Wo finden wir ein Telefon, um unseren privaten Zimmervermietern eine Nachricht zu geben, dass es spät - sehr spät werden wird? Handy? Was ist ein Handy?

Es ist etwa 1.00 Uhr als Ursel endlich den Motor ausstellen darf und sie und Karin ihr müdes Haupt zur Ruhe legen. Jana und ich machen uns auf den Weg zu unserem etwa 250m entfernten Quartier, wo wir von einer etwas wirschen Vermieterin ob der Uhrzeit empfangen werden. Aber in unserem Zimmer lacht uns vom Kopfkissen ein giftgrüner Apfel als Willkommensgruß entgegen.

Am nächsten Morgen fahren wir zur Connewitzer Straße, um die Anlage kennen zu lernen. Herzlich werden wir von den Gransows begrüßt. Zusammen mit vielen bekannten und bislang unbekannten Sportkameraden aus anderen Vereinen trainieren wir bei herbstlichen Temperaturen aber herrlichem Sonnenschein, die zum Teil recht ungewohnten Bahnen. Ein Plastikmittelhügel mit Mulde zum Loch, ein hoher Vulkan – sonst eher ein Vesuv hier mehr ein Popocatepetl, eine Plastikbodenwelle ohne Banden!

Die Anlage ist wunderschön gelegen. Damals kann man durch die Bäume ganz entfernt noch die Spitzen des Völkerschlachtdenkmals erkennen. Trotzdem, nur golfen wollen wir auch nicht!

Dies ist noch die Zeit, als in Leipzig ein großes Damentennisturnier - initiiert von Steffi Graf - stattfindet. (Die Älteren werden sich erinnern). Nun, ein Spiel mit ihr können wir nicht bestaunen, aber interessant ist das ganze Drumherum trotzdem.

Am Sonntagmorgen, der Ablauf wie immer. Einspielen - starten. Für Jana ist es ein besonderes Spiel: Ihr erster Start für ihren neuen Verein, dem MGC Göttingen. Vieles ist improvisiert, aber vielleicht macht gerade dies das Besondere an diesem Turnier aus. Immer wieder spürt man, wie alle Leipziger bemüht sind, ihre Gäste zufrieden zu stellen. Es gibt Brötchen, es wird gegrillt, Kaffee und kalte Getränke sind vorhanden. Alle Leipziger Vereinsmitglieder sind in dem Holzunterstand, der Küche, Turnierleitung, und Aufenthaltsraum zugleich ist, im Einsatz.

Wer ein dringendes menschliches Rühren hat, macht sich auf den Weg zum Bruno-Plache-Stadion oder benutzt ein in ein kleines Blechhäuschen gestelltes Campingklo! Ich glaube, die Damen waren die Sportlicheren!

Es wird spät, langsam zieht schon die Dunkelheit herauf. Wir erleben wohl eine einzigartige Siegerehrung beim Scheinwerferlicht von Andreas von dem Knesebecks Auto. Dankbar für die schönen Stunden und ihren tollen Einsatz verabschieden wir uns von der großen Gransow-Familie und ihren Helfern. Für viele von uns war es der erste Kontakt zu den „Ossis“.

Wir machen uns auf die Heimfahrt. Richtig, es ist schon wieder dunkel! Und „same procedure“ wie bei der Anreise, erst kamen wir nicht rein - nun finden wir den Ausgang (Ausfahrt) nicht! Überall wird gebaut, die Straßen sind aufgerissen, wo nicht - ist es eine Einbahnstraße. Beschilderung? Was ist das denn? Schließlich fragen wir eine Dame, die gerade aus ihrem Haus tritt, nach dem Weg. „Ach, das finden Sie als Fremde nie. Warten Sie, ich hole meinen Autoschlüssel und fahre vorweg!“ Glaubt man´s?? 

So kommen wir zumindest aus Leipzig heraus. Um dann in Halle zu landen, sieben Mal den Wasserturm zu umrunden und dann endlich wieder in Richtung Westen zu gelangen. Hier ist ein dreifaches Hoch an Ursel zu richten, die nie die Ruhe als Fahrerin verlor! Wieder durch den Harz, diesmal ohne Stau auf A 7 und A 27 haben wir morgens um 3.30 Uhr Bremen wieder erreicht.

Ein erlebnisreiches, wunderbares Wochenende ist beendet. Dass es in den Gedanken geblieben ist, beweist diese kleine Geschichte.

Birgit Stiebeling